Microsoft - Quo vadis?

Erstellt mit Microsoft Designer

In letzter Zeit hat sich bei Microsoft viel getan: die Aktie macht sich hervorragend im Portfolio, die Gemüter haben sich nach dem völlig idiotischen Stunt mit der Einführung der NCE-Lizenzen langsam wieder beruhigt (wenngleich das Ganze auch im Nachhinein betrachtet immer noch einer der dümmsten Aktionen war, die sich Microsoft in jüngerer Zeit geleistet hat). Und es gibt Copilot. Teils schier unglaubliche Innovation, teils völlig überhypte Ressourcenvernichtung.

Microsoft hat enorm viel Geld in OpenAI investiert: 2019 hat man sich in einem durchaus schlauen Schachzug für eine Milliarde Dollar eingekauft, für 2023/24 sind weitere zehn Milliarden geplant. Gigantische Summen, die natürlich zwangsläufig Profit einbringen müssen. Ich hatte in den vergangenen Monaten das Gefühl, dass irgendein hohes Tier bei Microsoft verkündet hat: "Wenn wir schon so viel Geld ausgeben, will ich jetzt Ergebnisse sehen. Ab sofort maximale Prio auf die 'Infektion' jedes unserer Produkte mit Copilot!". Und so ist es geschehen. Ich warte eigentlich nur noch auf "Copilot für Maustreiber" und "Copilot für den Akku meines Notebooks" - sonst gibt es aber vermutlich alles.

Während Copilot an vielen Stellen tatsächlich erstaunlich gute Ergebnisse liefert und dem interessierten, versierten und informieren User durchaus massiv die Arbeit erleichtern kann. Kann man ebenso festhalten, dass Copilot definitiv nicht Heerscharen von Mitarbeitern ersetzen wird, so wie es die Weltuntergangstheoritiker mit den Aluhüten prophezeien. Wer sich damit beschäftigt, kennt das Dilemma: Wer hat noch nicht mit Copilot Diskussionen darüber geführt, wie kategorisch falsch eine Aussage ist, die er trifft. Das Netz ist voll von Chatmitschnitten, wo sich der Copilot - trotzig wie ein kleines Kind - immer wieder auf die gleiche Falschaussage verrennt. So gesehen alles mit Vorsicht zu genießen und vor allem nicht so ganz so wichtig, wie manche Marketinghelden glauben wollen.

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Eine der schönsten Lachnummern des Jahres war für mich die Ankündigung von Copilot+ Devices: Rechner, die speziell für Copilot optimiert sind. Mein erster Gedanke: "Hat das Teil dann Gesicht, damit ich dem Ding eine scheuern kann, wenn er sich mal wieder besonders blöd anstellt?"

Weit gefehlt - Microsoft liefert mit den Hardwareanforderungen für Copilot+ die passende Info: Wie brauchen 16GB RAM (wohlgemerkt DDR5/LPDDR5), einen kompatiblen Prozessor (derzeit Snapdragon X Plus und Snapdragon X Elite) und 256GB SSD-Speicher. Dem Prozessor zur Seite gestellt, muss eine NPU sein - ein spezieller KI-Coprozessor. Und: ganz wichtig... Eine dedizierte Copilot-Taste auf der Tastatur.

Ich muss mich gerade stark beherrschen, nicht irre kichernd vor meinem altmodischen Notebook (Intel-basiert, Baujahr 2024), ohne den ganzen Unfug zu sitzen. Microsoft hat schon versucht den Handymarkt umzukrempeln und hat es in zwei, drei irrwitzig aufwendigen Versuchen komplett an die Wand gefahren. Man hat versucht, den Tabletmarkt umzukrempeln - und ist kläglich gescheitert. Surface Go, Windows im S-Modus (Deutschsprachige wissen genau, wofür das "S" in Wirklichkeit steht) - alles verstorben und beerdigt.

Es wurde versucht, den Anwendern und Entwicklern eine völlig neue Technologie aufzuzwingen. Man sollte meinen, dass Microsoft aus der Vergangenheit gelernt hat. Nicht einmal das verschenkte Windows 11 hat es (ungerechtfertigterweise) auch nur ansatzweise geschafft, seinen Vorgänger zu verdrängen.

Und jetzt fordern die Spaßvögel bei Microsoft (und zwar die aus dem Marketing) eine komplett neue CPU-Architektur. Aus technischer Sicht Unfug vom Feinsten: KI braucht viel Rechenleistung - dabei ist ein moderner Prozessor hilfreich. Mehr aber auch nicht. Für bekannte Hochleistungs-KI-Stacks (z.B. Stable Diffusion) wird gerade mal "ein moderner AMD- oder Intel-Prozessor" gefordert. Keine spezifische Leistungsklasse, keine Mindestgeneration. NPU? Fehlanzeige - ein handelsüblicher Grafikkern der Kategorie NVIDIA RTX ist optimal.

Auch beim RAM sind die Lösungen am Markt toleranter: 16GB müssen es schon sein, aber ob das jetzt DDR4 oder DDR5 ist, interessiert nicht.

Der spannende Teil ist aber: Warum sollte man die neue “Windows auf Snapdragon”-Architektur erzwingen? Software, die hierauf nicht angepasst ist, funktioniert nicht effizient, da eine Win32-Umgebung emuliert werden muss. Wie schnell Software auf neue Architekturen angepasst wird, haben wir in der Vergangenheit hautnahe erlebt. Ich würde aus persönlicher Erfahrung schätzen, dass es mindestens fünf Jahre dauert, bis nennenswerte Umstellungen bei Drittherstellern erfolgt sind.

Zweites großes "Warum": Mein aktuelles Notebook hat einen Intel Core i7-1360P Prozessor mit Intel Iris Xe Grafikchip - ich habe Copilot gefragt:

"In Bezug auf die effektive Geschwindigkeit zeigt der Intel Core i7-1360P eine um 39% höhere Effektivität im Vergleich zum Snapdragon X Plus2. Dies beinhaltet eine deutlich schnellere Single-Core- und Multi-Core-Leistung, was ihn für anspruchsvollere Aufgaben und Anwendungen besser geeignet macht"

 Ähnlich bescheiden fällt die Antwort auf einen Vergleich zwischen der Snapdragon Hexagon NPU und der NVIDIA RTX-Plattform aus (ebenfalls Copilot-Antwort):

"Insgesamt sind Nvidia RTX Grafikkarten leistungsstärker und vielseitiger, was sie für anspruchsvollere KI-Aufgaben und für den Einsatz in Desktop- und Laptop-Computern geeignet macht. Die Hexagon NPU hingegen ist für mobile Geräte und spezifische KI-Aufgaben optimiert und bietet eine effiziente Leistung für On-Device-KI-Anwendungen."

Bissig formuliert, müsste man feststellen, dass Microsoft interessierte User zwingt, ineffektiven Mist zu kaufen und die "Opfer" neben mäßiger Performance auch noch zwingt, die Nachteile einer für viele Anwendungen emulierten Plattform zu ertragen.

Aber: wir haben dann eine Taste, um den Copiloten aufzurufen.

"Windows 11 24H2 kommt nur für Copilot+ Geräte" war die Schlagzeile vor einigen Tagen; amüsiertes Kopfschütteln meine Reaktion. Welcher halbwegs ernstzunehmende Journalist schreibt so einen Schwachsinn und zeichnet auch noch öffentlich mit seinem Namen? Warum sollte irgendwer bei Microsoft ein Feature-Update entwickeln und es dann auf einen winzigen Promilleanteil des Marktes beschränken?

Natürlich hat sich das Ganze bereits insofern als Quark beweisen, dass gestern auf dem Release Preview Channel Win 11 24H2 als deutsche Version auf meinem Rechner gelandet ist.

Was mich an der ganzen Lachnummer aber am Meisten schockiert:
Die Presse ist voll von Artikeln, bei denen Copilot+/Snapdragon-Geräte als die Heilsbringer und tollsten Notebooks aller Zeiten gelobhudelt werden. War da die Vorstellungsparty/-veranstaltung für die Journalisten auf Ibiza oder in Las Vegas?

Getreu dem Untertitel „Meinung|ungefiltert“ verzichte ich auf Befindlichkeiten aufgrund Herstellerbindungen, dem üblichen Geschäftsgebaren und sonstiger Konventionen.
Damit einher geht, dass dieser Blog meine persönliche Meinung widerspiegelt und nur diese - Euer Marc Winter.

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Wenn gierige Menschen über Ziele und Lösungen entscheiden

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