Wenn gierige Menschen über Ziele und Lösungen entscheiden

Wer in den letzten Jahren das Ökosystem um M365 beobachtet hat, stellt in den letzten Monaten einen beunruhigenden Trend fest: mit der Beteiligung am Chat-GPT-Hersteller wurde bei Microsoft wohl beschlossen, dass nun entsprechend Profit aus der riesigen Investition gezogen werden muss.

Seither hören wir nur noch Copilot hier, Copilot dort. Alles - ob sinnvoll oder nicht - muss KI-verseucht werden. Keine Frage: es gibt Copilot-Dienste, die eine riesige Erleichterung sein können - andererseits ist z.B. der Copilot für PowerAutomate Flow so lustlos dahin gepfuscht, dass man ihn sich hätte getrost sparen können.

In Deutschland blieben wir vom Copilot für Windows bislang verschont, warum genau, weiß man nicht. Allerdings ist der auch so eine Sache, die die Welt nicht braucht. Wenn ich von der KI auf die Anweisung, sie solle die Auflösung des Bildschirms ändern, lediglich gesagt bekomme, wo in Windows die Auflösung umgestellt werden kann, brauche ich dafür keine KI.

Jetzt kommen tolle neue Geräte mit Copilot+ Zertifikat - dazu brauchen Sie eine spezielle Taste und einen KI-Coprozessor. Als ich davon hörte, habe ich mich natürlich gefragt: Warum?

Erstellt mit Microsoft Designer

Wer sich mit KI beschäftigt, weiß, dass ernsthafte KI-Modelle extrem groß sind. Das heißt, unabhängig vom Bedarf an Rechenleistung benötigt man RAM und massive Mengen an hochperformantem SSD-Speicher. Beides bietet die Cloud problemlos - gerade wenn die Modelle für eine größere Gruppe verwendet werden können. Auf dem eigenen Rechner passiert dabei praktisch nichts: Anfrage an den Dienst im Netz, Antwort anzeigen - fertig. Nahezu Nullbelastung für den eigenen Client. Warum als spezielle Chips?

Nach und nach kamen Details ans Licht: Recall heißt das vermeintliche Killerfeature. Der eigene Computer zeichnet regelmäßig (alle 5 Sekunden) Screenshots auf und erstellt so ein lückenloses Log. Dieses wird von der KI aufbereitet und ist vollständig durchsuchbar. Damit soll man jederzeit Dinge wiederfinden, die man vergessen hat.

Ernsthaft? Recall belegt auf einer 1TB Bootdisk bis zu 150GB Speicherplatz. Ein irrwitzige Verschwendung, wenn man bedenkt, dass es ohnehin einen File-, Mail- usw. Suchdienst gibt und Recall nur dann Sinn macht, wenn man "mal was vergessen" hat. Mein erster Gedanke war "es gab noch nie ein Windows-Feature (seit Windows 95), das ich nicht zumindest getestet habe - aber hier werde ich mit allen verfügbaren Mitteln den dicksten Riegel vorschieben, den ich finde."

Recall ist faktisch genau wie wenn mir jemand ein Aufzeichnungsgerät an den Bildschirm anschließt und mitschneidet, was ich mache. Ständig und unbefristet (solange der Speicher reicht). Recall macht keinen Unterschied zwischen Alltags-Nonsense und höchst vertraulichen Informationen - wir sollen uns einfach darauf verlassen, dass das schon alles seine Richtigkeit hat und geschützt ist. Meine Einschätzung von der ersten Sekunde an: so weit traue ich NIEMANDEM.

Vor einigen Tagen kam dann der große Knall: ein White-Hat Hacker hat mit schlappen 171 Zeilen Programmcode Recall geknackt und die gespeicherten Daten zugänglich gemacht.

Großes Zurückrudern bei Microsoft - Recall wurde zumindest per Default deaktiviert und muss vom User ausdrücklich aktiviert werden - dennoch: sicher ist es deswegen weiterhin keineswegs. Bei allem KI-Wahn: man muss sich bei allem, was man tut, immer die Frage stellen, ob der Nutzen das Risiko wert ist.

Getreu dem Untertitel „Meinung|ungefiltert“ verzichte ich auf Befindlichkeiten aufgrund Herstellerbindungen, dem üblichen Geschäftsgebaren und sonstiger Konventionen.
Damit einher geht, dass dieser Blog meine persönliche Meinung widerspiegelt und nur diese - Euer Marc Winter.

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Das Windows 11 / 24H2 „Missverständnis“

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Microsoft - Quo vadis?